Frau Leonhardt, Sie sind Projektmanagerin Applikationssysteme und beschreiben sich selbst als Dolmetscherin zwischen Softwareanwendern und Softwareherstellern. Wie genau kann man sich das vorstellen?
Ich bin in meiner Abteilung, der International Division, die Schnittstelle zwischen Kollegen, die im Internationalen Vertrieb arbeiten und den Softwareentwicklern der IT-Abteilung von BERLIN-CHEMIE. Das sind Bereiche, die manchmal sehr unterschiedliche Sprachen sprechen. (lacht) Ich koordiniere gemeinsame Entwicklungsprojekte.
Wie kommt es, dass Sie beide Sprachen sprechen?
Ich habe Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Internationales Management, Marketing und Wirtschaftsinformatik studiert und anschließend im Ausland Berufserfahrung gesammelt. Da ging es zum Beispiel um Software im Supply Chain Management und natürlich hatte ich dabei mit den Menschen und ihren verschiedenen Kulturen zu tun.
An welcher Stelle im Export werden Softwarelösungen gebraucht?
Plural ist das richtige Wort. Es gibt sehr, sehr viele Softwareanwendungen bei uns im Vertrieb. Das ist in den vergangenen Jahren sehr vielschichtig und komplex geworden. Am wichtigsten ist unser Warenwirtschaftssystem. Das ist eine Software, über die wir Handelsrechnungen an Exportkunden erstellen. Zusätzlich haben wir Software für die verschiedenen Exportpapiere, die erstellt werden müssen, von der Packliste über die Zollanmeldung bis zu den Transportversicherungszertifikaten. Außerdem gibt es Planungs-Systeme für die Absatzplanung und Systeme für die Koordination zwischen Vertrieb, Produktion und behördlicher Zulassung. Es gibt Systeme für die Verwaltung von Stammdaten sowie Reporting-Systeme für Umsatzstatistik oder Bestandsüberwachung. Und dann haben wir noch eine Datenbank für unsere Preise. Jedes der über 30 Länder, in denen wir unsere Produkte verkaufen, hat eine eigene Preisliste.
Wenn jemand konkrete Ideen für eine Software oder Verbesserungsvorschläge hat, kommt er dann einfach zu Ihnen?
Genau, so funktioniert es ganz oft. Häufig kommen die Kollegen und sagen: Ich muss an dieser Stelle jeden Monat so viel von Hand machen. Könnten wir dafür nicht eine Softwarelösung erstellen? Ich prüfe das, diskutiere die Idee in der Abteilung und bespreche sie dann mit der IT-Abteilung. Gemeinsam schauen wir, ob wir vielleicht schon eine Softwarelösung haben, die wir nutzen können, ob wir so etwas selbst programmieren oder ob wir eine Anwendung einkaufen müssten. Oftmals bin ich aber auch so in die Abteilungs-Prozesse involviert, dass ich selbst merke, dass etwas nach einer Softwarelösung ruft.
Sie geben auch Schulungen. Wie viel von Ihrer Zeit nimmt das in Anspruch?
Wenn eine neue Software eingeführt wird, gibt es Schulungen für alle betroffenen Mitarbeiter, entweder persönlich oder mit Hilfe von Nutzerhandbücher. Wir erstellen englischsprachige Handbücher und Präsentationen und schulen die Kollegen hier in Berlin, aber auch in den Auslandsbüros. Insgesamt sind es mehr als 250 Kollegen weltweit, die mit unseren Systemen arbeiten. Die Betreuung all dieser Nutzer nimmt immer mehr Zeit in Anspruch. BERLIN-CHEMIE wächst und dadurch kommen neue Mitarbeiter hinzu, die geschult werden müssen.
Und wenn jemand mit einer Software gar nicht klarkommt?
Dann sind wir immer der erste Ansprechpartner. Wir entlasten dadurch die IT-Abteilung. Die Kollegen dort sollen sich auf das Programmieren konzentrieren können. Für Anfragen von Nutzern wie „Welchen Knopf muss ich drücken?“ sind wir in erster Instanz zuständig.
Sie haben bereits in einem anderen Pharmaunternehmen gearbeitet, bevor Sie 2005 zu BERLIN-CHEMIE kamen. Ihre Arbeit ist aber nicht unbedingt an diese Branche gebunden, oder?
Jein. Es ist auf jeden Fall von Vorteil, ein spezielles Branchenwissen zu haben. Die Produktion in der pharmazeutischen Industrie ist chargenbasiert und das ergibt spezielle Vorgaben für die Software. Wichtig ist die Zuordnung einer Charge zum Kunden und die Haltbarkeit beziehungsweise Resthaltbarkeit der Medikamente. Der Nachweis einer Charge schließt die Produktion, die Lagerhaltung und den Vertrieb mit ein. Das lässt sich mit Konsumgüterherstellern nicht vergleichen. Zudem müssen wir Genehmigungen für Arzneimittel der Zulassungsbehörden jedes einzelnen Landes beachten. Das alles spiegelt sich auch in der Software wieder.
Woher haben Sie dieses Branchenwissen?
Das kam mit der Berufserfahrung. In dem ersten Pharmaunternehmen, für das ich gearbeitet habe, gab es eine große Bandbreite von Themen zu bewältigen. Ich habe mich eingearbeitet und dieses Wissen zu BERLIN-CHEMIE mitgebracht.
Wie kam es eigentlich, dass Sie heute in der Pharmabranche arbeiten?
Es war eher Zufall. Ich habe mich aber sofort wohlgefühlt. Ich mag einerseits dieses Bodenständige, also für ein Unternehmen zu arbeiten, das tatsächlich produziert. Andererseits mag ich das Internationale. Wenn man wie ich im Export arbeitet, hat man mit vielen unterschiedlichen Ländern zu tun: etwa mit Russland, Polen, den Balkan-Ländern oder auch mit skandinavischen Ländern. Hier braucht man die Fähigkeit, mit verschiedenen Kulturen umgehen zu können.
Welche Eigenschaften braucht jemand in Ihrer Position noch?
Zu den Fähigkeiten gehört neben dem logischen Denken und systematischen Arbeiten ein Sinn für Organisation. Es gehört dazu, die Teams zusammenzubringen, Meetings zu organisieren, Präsentationen zu erstellen und andere von seinen Ideen überzeugen zu können. Außerdem gehört Feingefühl dazu. Nicht jede gute Idee wird sofort angenommen. Man muss sie auch verkaufen können. Und Prioritäten setzen, wenn Ressourcen knapp sind. Wo kann ich Kompromisse machen? Und wie vermittle ich diesen Kompromiss, damit er für alle akzeptabel ist? Das ist nicht immer ganz einfach. (lacht) Das Schöne bei BERLIN-CHEMIE ist, dass ich auch neue Tätigkeitsfelder ergründen kann.
Inwiefern?
Angenommen ich möchte bestimmte Prozesse neu gestalten, weil ich sehe, dass etwas, das wir seit Jahren machen, jetzt nicht mehr optimal funktioniert. Dann kann ich dieses Projekt selbst anstoßen. In größeren Unternehmen ist es häufig der Abteilungsleiter, der ein Projekt ins Leben ruft und dazu vielleicht eine externe Beratungsgesellschaft hinzuholt. Bei BERLIN-CHEMIE geht es tatsächlich auch von unten nach oben und in der Regel ohne externe Berater. Wir haben zwar eine interne Beratungsabteilung, die uns unterstützt, aber wir schaffen auch sehr viel intern in der Fachabteilung. Zum einen weil wir diese beiden Projektmanagement-Stellen haben, zum anderen weil wir Vorgesetzte haben, die das unterstützen.
Sie haben zwei kleine Kinder und waren nach der Geburt jeweils ein Jahr in Elternzeit. Arbeiten Sie nun wieder Vollzeit?
Nein, in Teilzeit. Es ist sehr positiv, dass das hier möglich ist und es lässt sich glücklicherweise bei mir auch gut mit der Arbeit verbinden. Ich arbeite sehr gerne und gleichzeitig möchte ich die Kinder beim Heranwachsen erleben.
Wie schnell waren Sie wieder drin in der Arbeit, nachdem Sie aus der Elternzeit zurückkamen?
Das war unterschiedlich. 2008 bin ich zum ersten Mal aus der Elternzeit zurückgekommen und war ganz schnell wieder drin. Damals hatte sich nicht so viel verändert. 2010 war das anders. In dem Jahr, in dem ich nicht da war, wurde in Berlin und in allen Auslandsbüros eine sehr wichtige neue Planungs-Software eingeführt. Damit hatte sich unsere Welt fundamental verändert. Das war eine größere Umstellung für mich. Glücklicherweise konnte der Kollege, der mich während meiner Elternzeit vertreten hatte, bei uns in der Abteilung bleiben. Aus einer Stelle wurden zwei, weil die neue Software deutlich mehr Arbeit nach sich zog. Es hat mir sehr geholfen, dass wir nach meiner Elternzeit zu zweit weiterarbeiten konnten.